Y Magazin
Ein ausführliches Porträt von Marcel von Rickenbach im regionalen Y Magazin. Der Beitrag enthält spannende Geschichten und schöne Einblicke in das Handwerk des Schreiners.
Bewährtes beherrschen, an Neuem wachsen!
Das ist der Ehrgeiz des Marcel von Rickenbach – Von Beruf Schreiner der besonderen Art.
Wie ernst er das meint, zeigt sich an kleinen Dingen. So gibt es in seiner Schreinerei für jeden seiner 15 Mitarbeitenden einen etwas unscharf als «Werkzeugkiste» bezeichneten Container, der die Augen eines jeden Heimwerkers zum Glänzen bringen würde: Geradezu elegant liegen da alle Werkzeuge, die ein Schreiner braucht, in einer massgefertigten Massivholzbox. Jedes Ihr Aufbau ist nach langen Diskussionen und Versuchen so strukturiert, dass die Werkzeuge nach ihrer optimalen Handhabbarkeit positioniert sind. Die Schubladen laufen nicht nur geräuschlos, sondern so geschmeidig, wie ein warmes Messer durch frische Butter. Und die handwerkliche Qualität dieser mit Schwalbenschwanzzinken zusammengefügten Container ist von höchster Präzision und Perfektion. Genau das, was Rickenbach auch von jedem seiner Schreinerinnen und Schreiner erwartet.
«So wie diese Werkzeugkiste gebaut ist, so muss das Ergebnis der Arbeit eines jeden bei uns sein. Ob es sich um ein Kellerregal handelt oder um den Deckentäfer in einem Sitzungssaal. Das sind die Werte, für die ich stehe und die unsere Kunden von uns erwarten dürfen.»
Das sagt er keineswegs streng oder autoritär, sondern ganz ruhig, klar und absolut glaubhaft. Ein Rundgang durch seinen Betrieb mit seinen so ausgestatteten Arbeitsplätzen bestätigt das ebenso wie die Referenzen seiner Kunden. Und die können sich sehen lassen. Denn gibt es eine überzeugendere Empfehlung als den Sitzungssaal einer Institution, die sich mit Fug und Recht als Ausbund an Seriosität und Solidität bezeichnen lässt? Die Rede ist von der Schweizerischen Nationalbank!
Doch wie kommt ein Schreinereibetrieb aus dem Industriequartier Ibach in die Herzkammer des Schweizer Bankwesens?
Und wieder kommt es klar und ruhig von der anderen Seite des Besprechungstisches: «Der Einsiedler Klimatechniker KST», erzählt von Rickenbach, «war für die Installation der Deckenkühlung im Gebäude gesetzt und hat uns für die komplexen Wandanschlüsse dieses effektiven Deckensystems mit ins Boot geholt. Und weil wir schon einige solcher Projekte gemeinsam mit KST gemacht hatten und dieses Vorhaben nicht ganz einfach ist, hat er unseren Namen erwähnt. Nach den nötigen Sicherheitschecks von jedem unserer Mitarbeiter und unseren Vorschlägen bekamen wir wenig später den Zuschlag. Und weil die Herren mit unserer Arbeit sehr zufrieden waren, ergaben sich daraus weitere Aufträge.» Mehr sagt er dazu nicht. Denn Diskretion ist ihm so wichtig wie die hohe Qualität seiner Arbeit.
«Viele unserer Kunden», erklärt er seine Zurückhaltung, «arbeiten hart und oftmals unter starker beruflicher Anspannung. Da wollen sie ihr Zuhause nicht in Zeitschriften besprochen oder in der Öffentlichkeit präsentiert sehen. Das kann – glaube ich – jeder verstehen.»
Altbewährte Techniken pflegen
Es gibt aber auch Referenzen, die er frank und frei nennen darf. Das Zwei-Sterne-Restaurant «Magdalena» zum Beispiel. «Das ist für mich ein Herzensprojekt gewesen», schwärmt er. «Denn meine Mamá hat im Ur-Magdalena ihren ersten Job als Serviertochter gehabt und für meinen Grossvater war es seine Stammbeiz. Deswegen habe ich mich damals bei den Verantwortlichen des Projektes genau mit diesem Argument beworben – und ich glaube, gerade dieser emotionale Aspekt hat den Ausschlag gegeben, dass wir den Zuschlag bekommen haben.»
Dabei lässt Marcel von Rickenbach wie selbstverständlich unerwähnt, dass die Qualität seiner Schreinerarbeiten einen mindestens ebenso wichtigen Ausschlag gegeben haben könnte. Denn im Magdalena, in dem ja die jahrhundertealte Holzwand aus dem Urgebäude integriert werden musste, ging es darum, altbewährtes Handwerkswissen einzusetzen.
Wie kommt er zu solchen Kenntnissen?
«Durch praktische Erfahrung. Wir durften vor einiger Zeit in Seelisberg den Innenausbau eines Hauses übernehmen, für den der Kunde wünschte, dass die gesamten Holzarbeiten mit Mondphasenholz und ohne Leim erfolgen sollten. Das war eine grossartige Herausforderung! Denn alle Verbindungen der Möbel, Bretter und Innenausbauten mussten höchst präzise verzinkt und verzahnt werden, so dass alles ohne einen Tropfen Leim hielt – und hält. Ich habe damals meinen Leuten gesagt, dass dieser Auftrag unser Fachwissen und Können auf der ganzen Bandbreite fordern würde und wir uns vielleicht manchmal auch die Haare raufen müssten, um die richtigen Lösungen zu finden. Aber in jedem Fall würden wir dadurch neue Kompetenzen mit alt bewährten Techniken erwerben, die uns andernorts helfen und weiterbringen würden. Und genau so war es.»
Und auch privat bringen ihn solche Erfahrungen weiter: «Meine Familie und ich durften übrigens als Erste in diesem Haus, das der Besitzer als Ferienhaus vermietete, eine Woche verbringen – was interessante Folgen hatte. Denn meine Frau und unsere beiden Söhne - damals 8 Monate und zweieinhalb Jahre alt – hatten in dem Schlafzimmer aus Mondphasenholz so gut geschlafen, dass wir jetzt – in den Schlafzimmern unserer eigenen Wohnung – ebenfalls Mondphasenholz verwenden werden.»
Neues erproben
Ob Marcel von Rickenbach alte, fast vergessene Techniken wiederbelebt oder neueste Technologien einsetzt, immer interessiert ihn, was er mit seinem Handwerk für seine Kunden tun kann. So setzt er seit 2021 einen Laser-Schneider ein, mit dem er filigranste Schneidearbeiten aus Massivholzplatten fräsen kann.
Ähnliche Techniken setzte er auch bei einem anderen Auftrag ein, den er für die Swatch-Group in Biel verwirklichen konnte. Der japanische Architekt Shigeru Ban hatte nämlich für den Anbau der Omega-Zentrale eine Schlangenform gewählt, deren Decke durch eine Art Schuppenwerk aus Aluminiumplatten gestaltet werden sollte. Diese rombenförmigen Aluminiumplatten konnte von Rickenbach mit seinen Maschinen ebenso bearbeiten wie er die Unterholzkonstruktion für eine 3-dimensionale Decke schreinerte.
«Mit unserem Laser können wir sogar Stoffe, Leder und Kunststoffe schneiden, ja selbst Gravuren in Glas. Solche innovativen Gestaltungsmöglichkeiten gepaart mit den urtraditionellen Handwerkstechniken der Väter geben unserer Arbeit nicht nur eine faszinierende Bandbreite an Gestaltungsmöglichkeiten. Sie machen unsere Arbeit auch wahnsinnig spannend.
Ehe ich den Betrieb 2016 von meinem Vater übernommen habe, habe ich mir lange überlegt, was ich mit der Übernahme erreichen will und wohin es gehen soll – einerseits mit meiner ersten Familie zuhause, wo mich meine Frau und unsere 3 wundervollen Kinder erfüllen und andererseits mit meiner zweiten Familie hier im Betrieb.
Inzwischen sehe ich es klar: Ich möchte meinen Betrieb nicht immer grösser werden lassen, sondern das familiäre Umfeld mit meinen Mitarbeitenden ebenso behalten wie auch den familiären Kontakt mit unseren Kunden.
Diese sehr persönliche Atmosphäre lässt neben all den wunderbaren Aufträgen unserer bestehenden Kunden gerade ein weiteres Projekt entstehen, das sehr reizvoll ist. Nämlich die Zusammenarbeit mit dem japanischen Architekten Yuichi Kodai aus Kyoto. Er plante für eine Familie in Zug eine Wohn- und Arbeitsumgebung, deren Innenausbau wir umsetzen dürfen. Die perfekten Proportionen der japanischen Architektur und deren minimalistische Ästhetik in Holz perfekt Gestalt werden zu lassen, sind für uns als Handwerker nicht nur eine freudige Herausforderung, sondern auch eine grosse Ehre.»